Im Jahr 2026 ist die größte Gefahr für die Bildung nicht, dass Schüler ihre Hausaufgaben von einer KI schreiben lassen. Die wahre Krise ist der Verlust der tiefen Lesefähigkeit (Deep Reading). In einer Welt von 15-sekündigen Reels und mundgerechten KI-Zusammenfassungen verlernen wir die Ausdauer, uns auf die Komplexität eines Buches einzulassen.
Doch genau hier liegt die Chance: Leseförderung 2026 muss als Akt der digitalen Selbstverteidigungbegriffen werden.
Die Falle der KI-Zusammenfassung
Warum soll ich ein Buch lesen, wenn mir die KI in drei Sätzen sagen kann, worum es geht? Die Antwort findet sich in der menschlichen Erfahrung, die keine Zusammenfassung ersetzen kann. In meinem Buch „Fehlfunktion“ beschreibe ich das digitale Burnout als eine „emotionale Müdigkeit“:
„Kaum ein Gedanke hat Raum, sich zu entfalten. […] Wie finden wir zurück zu einer Welt, in der weniger wieder mehr ist? Vielleicht ist das die eigentliche Müdigkeit: nicht mehr zu wissen, wie man ohne das Digitale existiert.“ (Fehlfunktion, 2025)
Drei Strategien für die Leseförderung 2026:
- Vom Konsum zur Ko-Kreativität: Wir dürfen die KI nicht verbieten, wir müssen sie zum Sparringspartner machen. Schüler sollten lernen, KI-generierte Texte kritisch mit literarischen Originalen zu vergleichen. Wo ist das Original „messy“, menschlich und überraschend? Wo bleibt die KI generisch?
- BookTok als Resonanzraum: Leseförderung muss dort stattfinden, wo die Jugendlichen sind. Wir nutzen die Ästhetik der sozialen Medien, um nicht über den Inhalt, sondern über das Gefühl des Lesens zu sprechen. Ein Buch ist der ultimative „Safe Space“ vor dem Algorithmus.
- Die Stärkung der „menschlichen Stimme“: In einer Welt voller KI-Content wird die Fähigkeit, eine eigene, unverwechselbare Erzählstimme zu entwickeln, zur wichtigsten beruflichen Qualifikation. Lesen ist das Training für diese Stimme.
Fazit: Bildung braucht Reibung
Wir brauchen Lehrer und Bibliothekare, die den Mut haben, die KI herauszufordern. Wir brauchen eine Lesekultur, die nicht auf Abfrage von Wissen basiert, sondern auf der Reflexion von Identität.
Als Referent für Lehrerfortbildungen und Leseförderung zeige ich Wege auf, wie wir die Begeisterung für das gedruckte Wort in einer KI-Welt neu entfachen – nicht trotz, sondern mit den digitalen Werkzeugen unserer Zeit.
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Gastreferent, Weiterbildungen, Medienzentrum, Workshop, Kurse
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