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Komplett Gänsehaut - Kritik

Komplett Gänsehaut – Rezension

Sophie Passmann, die meist gefassteste Feministin des Internets, wie sich selbst beschrieben hat, hat ein neues Buch geschrieben. «Komplett Gänsehaut» soll literarischer Selbsthass sein, die Autorin möchte abrechnen mir allem, aber vor allem sich selbst. Wie ihr das gelungen ist, erfahrt ihr in meiner Rezension zu «Komplett Gänsehaut»

Klappentext

Nach ihrem vieldiskutierten Bestseller »Alte, weiße Männer« entlarvt Sophie Passmann in ihrem neuen Werk den unerträglichen Habitus einer Bürgerlichkeit, durch die sie selbst geprägt wurde. Eine Passmannsche Suada at its best. Bloß nicht so werden, wie alle anderen um sich herum. Bloß nicht so werden, wie man schon längst ist. Bloß schnell erwachsen werden, um in die transzendentale Form des Verklärens eintauchen zu dürfen, die Jugend als »die beste Zeit des Lebens« zu feiern. Sophie Passmann teilt aus gegen alle, am verheerendsten aber gegen sich selbst und ihresgleichen. Zornig und böse, sanft und lustig zugleich zieht sie uns mit rein ins tiefe Tal der bürgerlichen Langeweile im westdeutschen Mittelstand. Sie geht vehement vor gegen die hedonistische Haltung einer wohlgemerkt nicht homogenen Generation, die ihr selbst nur allzu bekannt ist. Dies ist kein Memoir, kein Roman, keine Biographie, es ist: literarischer Selbsthass. Das finden Sie anmaßend? Genau das ist es und genau das will Sophie Passmann: sich anmaßen, das zu tun, was sie tun möchte. Komplett Gänsehaut einfach!

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Rezension

Sophie Passmann lässt sich keine Zeit für einen Einstieg. Es geht direkt los. Sie ist siebenundzwanzig, zu früh zum Sterben, wie sie meint und es ist an der Zeit ihr Leben und ihr Umfeld zu analysieren. Dabei wird ausgeteilt, gegen Nazis, Bücherregale und vor allem auch sich selbst. Sympathisch ist sie. Wortgewandt ebenfalls und die vielen kleinen Anspielungen auf persönliche Erfahrungen machen das Buch gerade für Menschen, die die Journalistin schon länger verfolgen zu einem interessanten Lese- und Hörerlebnis.

Eingesprochen hat Passmann das Hörbuch nämlich selbst und sie kann nicht nur schreiben, sondern auch sprechen. Es wirkt als würde man einem sehr langen, teilweise verwirrenden Monolog lauschen. Über Klischees, Sex und den Unsinn oder Sinn des Plattensammelns. Stereotypen werden bestätigt, in Einzelteile gelegt und mit Selbstkritik wird ebenfalls nicht sparsam umgegangen. Der Humor ist fein, teilweise fast schon arrogant und man hat das Gefühl, manchmal an den falschen Stellen zu lachen, was, wie Passmann selbst erzählt, zu den unangenehmsten Momenten im Leben gehört.

Gestört hat mich allerdings der Satz rund um Sam Smith, den sie als Sänger beschreibt. Sam Smith selbst nutzt jedoch die Pronomen they/them für sich, daher weiss ich nicht, ob die männliche Form hier die richtige ist. Dass mich dieser Satz gestört hat, beweist jedoch genau das, was Passmann selbst schreibt. Die jüngere Generation aus bestimmten Kreisen ist ständig darauf bedacht politisch korrekt zu sprechen. Es ist nicht das einzige Mal, dass ich mich oder Menschen, die mir bekannt sind, in dem Buch wiederfinde.

Einen klaren roten Faden? Gibt es nicht. Inhaltlich folgt man den Gedanken der Autorin, die sich selbst über Bücher dieser Art lustig macht. Es geht darum, wie sie sich fühlt jetzt, wo sie 27 ist. Dabei wird das Buch durchaus privat. Es geht um Sex unter der Dusche, Matratzen, spiessige Balkone und eine Freundschaft zu einem zwölfjährigen Mädchen. Wie das alles zusammenpasst? Komplett Gänsehaut. Zumindest laut Passmann. Als Leser frage ich mich viel mehr, wohin mich dieses Buch mitnehmen wollte. Gänsehaut verspürte ich keine.

Unterhalten hat es mich. Zum Nachdenken angeregt ebenfalls. Eventuell habe ich sogar neue Erkenntnisse gewonnen. Aber was wollte Sophie Passmann damit sagen? Geht es nur um Selbsthass? Oder ist da noch mehr?

Fazit

«Komplett Gänsehaut» ist knallhart, analytisch und gleichzeitig unterhaltsam. Sophie Passmann schreibt und erzählt auf eine lockere und doch so intelligente Weise, wie ich sie selten lese. Sie weiss es mit wenigen Worten auszuteilen und Humor und Tragik zu kombinieren. Der literarische Selbsthass ist zu spüren, der Frust deutlich spürbar und trotzdem scheint es nicht so, als wäre Passmann unzufrieden. Sie nimmt sich selbst und ihr Umfeld nur nicht so ernst. Selbst gegen ihren Debütroman geht sie schonungslos vor. «Komplett Gänsehaut» ist vieles, aber kein Buch mit definierbarem Inhalt. Es ist vieles, versucht wenig zu sein und vielleicht reicht das. Sophie Passmann denkt, lässt uns an den Gedanken teilhaben und mich dadurch intellektueller fühlen, auch wenn es mittlerweile längst Mainstream geworden ist, Passmann gut zu finden. Ich find sie trotzdem gut.

Ist «Komplett Gänsehaut» von Sophie Passmann empfehlenswert? Ja. Sprachlich genial, inhaltlich nicht immer gleichklar, aber trotzdem interessant. Gerade als Hörbuch empfehlenswert!

Bibliografische Angaben

Komplett Gänsehaut - Neues Buch Sophie Passmann - Josia Jourdan Kritik
Komplett Gänsehaut – Rezension
  • Verlag: Kiepenheuer&Witsch
  • Erscheinungstermin: 04.03.2021
  • 192 Seiten
  • ISBN: 978-3-462-05361-6
  • Autorin: Sophie Passmann
  • Komplett Gänsehaut – Rezension

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