Vor einiger Zeit hat Kai Meyer, einer der erfolgreichsten deutschen Autoren, erzählt, was er an einem Hörbuch auf Spotify verdient. Knapp 9 Cent. Viele hat das schockiert. Mich auch. Warum ich das trotzdem nicht ganz so kritisch sehe wie andere, schreibe ich in diesem Beitrag.
Was verdient man als Autor an Spotify?
Weil öfter gefragt wurde: Für ein komplett angehörtes Hörbuch SEITEN DER WELT 1 bei Spotify kommen bei mir persönlich genau 0,088 Euro an. Das sind knapp 9 Cent. Für 14 Stunden 20 Minuten. Bei schmaleren Büchern entsprechend weniger.
— Kai Meyer (@KaiMeyer) April 9, 2019
Warum verdient ein Autor also so wenig an einem Hörbuch, dass auf einer Streaming-Plattform wie Spotify, Deezer oder Amazon Music verfügbar ist, so wenig. Der durchschnittliche Preis von 10 – 20 CHF/Euro für ein Premiumkonto pro Monat entspricht knapp einem Musikalbum oder vielleicht knapp einem Hörbuch. Mehr ganz bestimmt nicht. Dementsprechend kann es also gar nicht möglich sein, dass ein/e Künstler/in gleich viel verdient, wie wenn wir sein/ihr Album/Hörbuch kaufen würden. Das sollte klar sein.
Dank Streaming-Portalen bekommen wir als Konsumenten die Möglichkeit für wenig Geld viel mehr konsumieren zu können. Ob man das gut oder schlecht findet, das ist jedem selbst überlassen. Für mich persönlich ist es eine grossartige Möglichkeit. Denn ich könnte nie diese Vielfalt an Musik hören, wenn ich nicht ein Premium Konto bei Einem dieser Anbieter hätte. Pro Monat konsumiere ich ein bis zwei Hörbücher, und alleine auf den Playlisten, die ich regelmässig höre, befinden sich ca. 1000 Songs. Darunter teilweise auch ganze Alben oder das gesamte Repertoire eines/einer Künstler/in.
Zuerst möchte ich noch ganz kurz auf die Musikindustrie eingehen, denn ich denke, damit lässt sich das Konzept Streaming und seine Vorteile für KünsterInnen und Kunden/Kundinnen gut erklären. Auch wenn es für KünstlerInnen durchaus auch viele Nachteile geben kann! Das möchte ich überhaupt nicht bestreiten.
Früher kaufte man sich CDs von seinen Lieblingsbands und SängerInnen. Später kam der Digitale Kauf dazu, wo man die Möglichkeit bekam, nur noch einzelne Songs von einem Album zu kaufen. Trotzdem hat man sich nur diese Musik gekauft, bei der man sich entweder sicher war, dass sie einem gefallen würde oder die man schon im Radio oder sonst wo gehört hatte. Ganz bestimmt hat man sich nicht einfach mal so 10 Alben zum Ausprobieren gekauft.
Ich dagegen kann auf Streaming-Portalen nicht nur meine LieblingskünstlerInnen hören, sondern auch tausende Neue entdecken. Einerseits verdienen meine LieblingskünstlerInnen vielleicht bisschen weniger an mir, als wenn ich das Album gekauft hätte. (Obwohl ich manche Songs ja wirklich totstreame!) Gleichzeitig verdienen Künstler plötzlich an mir, welche ich vorher weder entdeckt hätte, noch deren Album gekauft hätte. Weil es mich auf Streaming-Plattformen sozusagen aber nichts kostet, probiere ich es aus. Das hat zur Folge, dass ich viel mehr Musik höre und immer wieder neue KünstlerInnen für mich entdecke.
Genauso funktioniert das auch mit Hörbüchern. Ohne meine Streaming-Plattform würde ich erstens nie so viele Hörbücher hören und zweitens nicht ständig neue AutorInnen ausprobieren. So verdient ein Autor zwar nur 9 Cent an mir, wenn ich sein Hörbuch höre, aber sind 9 Cent nicht besser als gar nichts. Denn höchstwahrscheinlich hätte ich mir das Hörbuch sonst nicht angehört?
Zudem ist der Faktor ‘’Fan werden’’ bei Streaming-Portalen ein riesiger Vorteil. Viel schneller kann ich zum Fan mutieren, da ich alle Alben/Hörbücher anhören kann, ohne ein grosses finanzielles Risiko einzugehen. Und als Fan will ich vielleicht auf das Konzert der neu entdeckten Sängerin, ich kaufe Merch etc. Genauso sieht es bei neuen LieblingsautorInnen aus, die ich dank Streamingabietern entdeckt habe. Bestes Beispiel ist hier Kerstin Gier. 2015 habe ich die ersten zwei Bücher der Silber-Trilogie auf Spotify als Hörbücher gehört. Den dritten Teil habe ich mir am Erscheinungstag in der Buchhandlung als Hardcover gekauft, die anderen beiden Teile durften kurz darauf auch einziehen. Und so lief es mit all ihren Büchern. Oft zuerst als Hörbuch gehört und dann später als Print auch noch geholt. Und die Hörbücher habe ich mir schon so oft angehört.
Und als letzter Punkt: lange Zeit noch an der Backlist verdienen. Denn warum sollte man sich noch Alben vor von 5 Jahren kaufen? Aber durch Playlists oder durch die Suchfunktion können alte Songs und Alben wiederentdeckt werden und plötzlich verdient der/die Künstler/in auch an den alten Songs wieder.
Nicht zu unterschätzen sind aber tatsächlich auch der Werbeeffekt und die Belebung der Backlist. Wegelagerei wäre Raub, das ist es nicht. Man hat schon auch als Autor etwas davon. SdW hat tausende Menschen erreicht, die das Buch nie gekauft hätten.
— Kai Meyer (@KaiMeyer) April 9, 2019
Genauso sieht es mit Hörbüchern aus. Eine Buchhandlung behält ein Hörbuch in CD-Form nicht länger als ein Jahr (wenn überhaupt) im Regal, wenn es nicht grad ein super Bestseller ist. Das Hörbuch würde also in Vergessenheit geraten. Dank Streaming-Portalen kann es wiederentdeckt werden.
Abschliessend möchte ich sagen: ja, ich wünsche mir auch, dass meine LieblingskünstlerInnen und AutorInnen mehr verdienen. Aber das können wir nur ändern, wenn wir auch bereit sind, mehr zu zahlen. Denn von irgendwoher muss das Geld schliesslich kommen. Ich werde auch in Zukunft Streaming-Portale nutzen, da ich darin für mich sehr viele Vorteile sehe und denke, dass auch die KünstlerInnen davon profitieren können.
Wie steht ihr zu dem Thema? Nutzt ihr Streaming-Dienste? Wenn ja, welche und warum?
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